29. Juli 2010 14:14 Uhr
Das Selbstbestimmungsrecht der Nationen ist gefährlich. Es löse keine Konflikte, sondern verschärfe sie, schreibt der Historiker Rudolf Walther in der neuen Ausgabe der "Blätter für deutsche und internationale Politik". Als aktuelles Beispiel beschreibt er, wie sich Ungarn und Slowaken in einer Spirale des Nationalismus verstricken. Das ungarische Parlament hat nach dem Rechtsruck der letzten Wahl ein Gesetz verabschiedet, das allen Ungarn, die im Ausland leben, die Möglichkeit gibt, die ungarische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Und das sind einige: Als nach dem Ersten Weltkrieg die Monarchie Österreich-Ungarn aufgelöst wurde, lebten plötzlich rund zwei Drittel aller Ungarn im Ausland. Die Slowakei hat auf das ungarische Gesetz reagiert, indem sie drohte, allen Ungarn, die das Angebot annehmen, die slowakische Staatsbürgerschaft abzuerkennen. Walther wirft beiden Staaten vor, gegen das Völkerrecht zu verstoßen. Und er kritisiert das Schweigen der Europäischen Union: Die EU habe schon bei der Anerkennung des Kosovo völkerrechtlich problematisch gehandelt. Das nationale Selbstbestimmungrecht, so Walther, werde vor allem als nationaler Stimmungsmacher missbraucht.
Quelle: DRadio Wissen Lizenz: Creative Commons Licence: Namensnennung, keine kommerzielle Nutzung, keine Bearbeitung (BY-NC-CD)